COOPERCUC

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Die Marmeladen-Kooperative

Der Sertão ist sehr karg und trocken. Die steppenähnliche Landschaft im Bundesstaat Bahia wartet jährlich bis zu zehn Monate auf zumindest ein bisschen Regen. Durchgehend hat es dort seit 7 Jahren nicht mehr geregnet, wie wir bei unserem letzten Projektbesuch im Oktober 2018 erfuhren. Die kleinbäuerlichen Familien, die hier leben und überleben müssen, passen ihre landwirtschaftlichen Methoden den schwierigen Verhältnissen an und beweisen eindrucksvoll, dass das Leben hier trotz scheinbar lebensfeindlicher klimatischer Voraussetzungen möglich ist.

Die Bildung von Kooperativen, wie COOPERCUC eine ist, ermöglicht durch das gemeinschaftliche Arbeiten Einkommen für mehrere Familien. Sei So Frei unterstützt diese Arbeitsgemeinschaft seit vielen Jahren und kann nun voller Stolz auf die Unabhängigkeit des Projekts, vor allem aber der Familien, blicken.

“Meine Bäume sind meine Schätze! Während der Trockenzeit schlafen sie, dann erwachen sie wieder zum Leben und ich kann 80 Kilogramm Maracuja pro Jahr zur Weiterverarbeitung liefern.”

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Laurentino Cardoso
– Kleinbauer und Mitglied der Kooperative COOPERCUC –

NACHHALTIGER UND BIOLOGISCHER ANBAU VON ANGEPASSTEN PFLANZENARTEN

Mango-, Umbu-, Guave- und Maracujabäume gedeihen während der seltenen Regenphasen in dieser Gegend. Pflanzen wie der Umbu-Baum passen sich besonders gut an die schwierigen Bedingungen an: Seine Wurzeln können in der Regenzeit bis zu 3.000 Liter Wasser speichern, daher trägt er auch in der äußersten Trockenzeit Früchte. Süß-säuerlich schmeckend, wie viele Pflanzen hier, ist Umbu beliebt für Marmeladen und Brotaufstriche.

DIE ACHTSAMKEIT DER KLEINBÄUERLICHEN FAMILIEN

Die Mitglieder der Kooperative, wie Kleinbauer Laurentino, hüten ihre Ressourcen wie Schätze, auch wenn die Pflanzen während der Trockenzeiten „schlafen“. 80 Kilogramm Maracuja pro Jahr liefert Laurentino an die Kooperative in Uauá. Dort bringen auch andere Familien aus den umliegenden Dörfern ihre Früchte zur Verarbeitung hin.

GEMEINSAME VERARBEITUNG

Gemeinsam wird die Ernte zu Marmelade und Fruchtpulpe in Minifabriken verarbeitet. Abgefüllt und verpackt werden die Köstlichkeiten in der größeren Fabrik in Uauá. So wird eine wichtige und adäquate Einnahmequelle für mehrere kleinbäuerliche Familien in der Umgebung geschaffen.

DIE ENDPRODUKTE UND VERMARKTUNG

Die biologisch zertifizierten Marmeladen und Fruchtpulpen – die im Gegensatz zu Fruchtmark nicht passiert ist und für die spätere Weiterverarbeitung vorgesehen wird – werden schließlich in Supermärkten und Schulen in ganz Brasilien verkauft. Durch die Zusammenarbeit im Rahmen der Kooperative entstand so eine lange und erfolgreiche Wertschöpfungskette, die das Überleben der Familien im unwirtlichen Sertão sichert.

UNSERE WEITEREN ZIELE

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Dieses Projekt steht mittlerweile erfolgreich auf eigenen Beinen. Die weiteren Projekte in Brasilien benötigen aber noch dringend unsere Unterstützung. Helfen Sie mit, die Fortbildungsmaßnahmen für kleinbäuerliche Familien in den ärmsten Gegenden des Landes zu ermöglichen. Spenden Sie für Wiederaufforstung und Bildung!

>> Über Kurse für kleinbäuerliche Familien

Superlative und Extreme prägen das Land. Es ist flächen- und bevölkerungsmäßig der fünftgrößte Staat der Erde, es ist das artenreichste Land der Welt. Es ist gleichzeitig reich (sehr wenige sind sehr reich) und unfassbar arm. Die Regenwälder an der Atlantikküste sind zu rund 95% zerstört, während das Amazonasgebiet zu den größten verbliebenen Urwäldern der Welt zählt. Jede Minute verschwinden fünf Fußballfelder Wald. Selbstgemachte Umweltprobleme vermischen sich mit der immer schlimmer werdenden politischen Situation und mit Ausbeutung und Rassismus. In den letzten fünf Jahren sackte die Wirtschaft des Landes jäh ab. Brasilien ist definitiv eines der am meist gefährdeten Länder, um in noch tiefere Krisen zu schlittern. // Fläche: 8.515.770 km2 // Einwohner: über 200 Millionen // Amtssprache: Portugiesisch

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts explodierte die Bevölkerung: 70 Millionen Menschen lebten 1950 in Brasilien, heute sind es über 200 Millionen. Mit steigender Urbanisierung und relativem Wohlstand sank die durchschnittliche Kinderzahl jedoch im gleichen Zeitraum von 6 auf 1,8. Mehr als 85% der Brasilianerinnen und Brasilianer leben in Städten und circa die Hälfte hat afrikanische Vorfahren. Das generelle Bildungsniveau und die Gesundheitsversorgung sind in Relation zu den meisten anderen unserer Projektländer recht gut – die hohe Kriminalitätsrate, die instabile Politik, Umweltzerstörung, Rodungen, Korruption, aber vor allem die ungleiche wirtschaftliche Verteilung lassen viele Menschen in Brasilien dennoch leiden.

Brasilien ist, seit 1993 eine präsidiale Bundesrepublik, die aktuell täglich in den weltweiten politischen Nachrichten zu finden ist. Nach einigen Jahren der relativen Stabilität und wirtschaftlichen Erholung unter dem beliebten Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff findet sich das Land aktuell in einer dramatischen politischen und auch wirtschaftlichen Lage wieder. Der ehemalige Präsident sitzt aufgrund eines reinen Indizienprozesses in Haft, Rousseff wurde 2016 des Amtes enthoben und aktuell tritt einer der weltweit gefürchtetsten Rechtspopulisten seine Präsidentschaft an. Jair Bolsonaro ist ein großer Anhänger der ehemaligen Militärdiktatur, spricht von kategorischen Säuberungen und sorgt mit extremen rassistischen, frauenfeindlichen und homophoben Äußerungen für Empörung. Starken Rückhalt findet er in der mächtigen Agrarlobby.

Die nationale Entwicklung Brasiliens geht immer noch Richtung Ausbeutung der Naturressourcen und Zerstörung der Ökosysteme, was die Schärfung des Bewusstseins für diese Themen vor Ort noch wichtiger macht. Während die Landrechte der indigenen Bevölkerung immer schon eine schwierige Rolle in der Politik spielten, ist die Debatte über sogenannte „traditionelle Völker und Gemeinschaften“ relativ hoch entwickelt und zieht auch rechtliche Konsequenzen zum Schutz von Menschen und Territorien nach sich. Unabhängig von Ethnien werden damit Gruppen bezeichnet, die sich an traditionell nachhaltigen Lebensweisen orientieren. Das spricht noch lange nicht für ein ausgeprägtes landesweites Bewusstsein für Menschenrechte, Umweltschutz, Gleichstellung und ähnliche Themen, ist aber dennoch ein Anfang und bringt den ärmsten Bevölkerungsgruppen sukzessive Selbstbewusstsein.